Für Aufregung sorgt aktuell die neue EU-Sicherheitsnorm für Aufzüge, denn sie verursacht Kosten in Millionenhöhe. Kritik kommt von technischer Seite.

Für Aufregung sorgt derzeit die neue EU-Sicherheitsnorm für Aufzüge, denn sie verursacht Kosten in zweistelliger Millionenhöhe. Und das, obwohl sie „aus technischer Sicht keinen Sinn macht“, wie die Kammer der Ziviltechniker betont. Die Techniker untermauern ihre Einschätzung mit aktuellen Zahlen.

In der Europäischen Union gibt es eine neue Sicherheitsnorm für Aufzüge. Betroffen sind alle Hebeanlagen, sowohl in Wohnhäusern als auch in öffentlichen Gebäuden und Wirtschaftsbetrieben. Alleine für Wien werden die Kosten für die zusätzlichen Überprüfungen der rund 46.000 Anlagen mit 14 Millionen Euro veranschlagt.

Doch nicht nur die Betriebskosten in Wohnhausanlagen, Gewerbe und Industrie werden belastet. Allein die Stadt Wien müsste für ihre 9.000 Aufzüge 2,7 Millionen Euro für die zusätzlichen Überprüfungen ausgeben. Für ganz Europa bedeutet die EU-Sicherheitsnorm Milliardenkosten.

Aufzüge – sichere technische Anlagen

Heftige Kritik kommt deshalb von der Kammer der Ziviltechniker für Wien, Niederösterreich und Burgenland: „Rein rational, aus technischer Sicht, macht diese Nachrüstung keinen Sinn“, erklärt Präsident Erich Kern. Das Geld könnte seiner Meinung nach in anderen Bereichen sinnvoller verwendet werden.

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Der der Kritik zugrundeliegenden Studie von Ingenieurskammer und Stadt Wien zufolge gab es in ganz Österreich seit 2010 keinen einzigen Todesfall im Zusammenhang mit der Nutzung eines Aufzugs. Und das bei 80.000 Personen- und Lastenaufzügen! Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, mit einem Aufzug zu Tode zu kommen, gleich hoch wie jene, dass das ganze Gebäude zusammenstürzt. Gleichsam: nicht vorhanden. Der Zuverlässigkeitsgewinn durch die Überprüfungen stehe daher in keinem vertretbaren Verhältnis zu den anfallenden Kosten. Die aktuellen Bestimmungen der Landesgesetze einschließlich OIB-Richtlinien, der Hebeanlagen-Betriebsverordnung und der Maschinen-Sicherheitsverordnung seien ausreichend genug, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.

Schlechtes Preis-Leistungsverhältnis?

Der Hinweis, dass sowohl Vertreter der Ziviltechniker als auch der Stadt Wien an der Norm mitgewirkt hätten, hält nicht stand, denn nur allzu oft werden Sicherheitsforderungen als sakrosankt betrachtet und gegen wirtschaftliche Vernunft durchgeboxt. Kritik daran wird abgeschmettert. Kern wünscht sich daher eine Diskussion darüber, in welchen Bereichen in mehr Sicherheit investiert werden sollte. Seiner Meinung nach stimmt bei der neuen EU-Norm das Preis-Leistungsverhältnis nicht zwischen Sicherheitsgewinn und Kosten, während in anderen Bereichen mangelnde Sicherheit in Kauf genommen wird, obwohl sie mit deutlich geringeren Kosten erreicht werden könnte. Als Beispiel nennt der Ziviltechniker die Prävention von Todesfällen durch gefährliche Keime. Dort wäre mit weniger Kosten ein deutlich höherer Sicherheitsgewinn zu erzielen. „Die Gesellschaft sollte nachdenken, wofür sie ihr Geld ausgibt“, meint Kern. 

Wie freiwillig ist die „freiwillige Norm“?

Die neue Europäische Norm muss nun in das österreichische Normenwerk übernommen werden – so sind die EU-Bedingungen. Offiziell gilt die EU-Norm als nicht verbindlich. Problematisch ist allerdings, dass im österreichischen Zivilrecht häufig auf Normen zurückgegriffen wird, weshalb sie quasi Gesetzesrang genießen. Das bedeutet im Zusammenhang mit der EU-Sicherheitsnorm, dass sie in Österreich aller Wahrscheinlichkeit nach verbindlich werden und über die „Sorgfaltspflicht der Gebäudeeigentümer“ in der Praxis Einzug halten wird. Denn das Risiko einer Pflichtverletzung wird wohl kein Verantwortlicher aus Angst vor Haftungsfallen eingehen.

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