Die Betriebsvereinbarung ist ein zentrales Instrument zur Mitbestimmung in Unternehmen. Sie wird dort eingesetzt, wo gesetzliche oder kollektivvertragliche Vorgaben nicht ausreichen.
In diesem Artikel erfahren Sie alles über die rechtlichen Grundlagen in Österreich, die verschiedenen Arten von Betriebsvereinbarungen und wie diese abgeschlossen werden – inkl. Mustervorlage zum Download.
Inhaltsverzeichnis
- Definition: Was ist eine Betriebsvereinbarung?
- Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen bei Betriebsvereinbarungen in Österreich
- Inhalte einer Betriebsvereinbarung
- Welche Arten von Betriebsvereinbarungen gibt es?
- So gelingt die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber:in und Betriebsrat
- Häufig gestellte Fragen
Definition: Was ist eine Betriebsvereinbarung?
Eine Betriebsvereinbarung ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber:in und Betriebsrat eines Unternehmens. Sie regelt betriebliche Angelegenheiten, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorgehalten ist.
Das bedeutet: Bestimmte Themen, die durch Gesetze oder Kollektivverträge nicht vollständig festgelegt sind, können durch Betriebsvereinbarungen geregelt werden, um den spezifischen Anforderungen eines Unternehmens gerecht zu werden.
Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen bei Betriebsvereinbarungen in Österreich
In Österreich legt das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) die Rahmenbedingungen für Betriebsvereinbarungen fest. Konkret sind die dazugehörigen Regelungen für den Abschluss von Betriebsvereinbarungen in §§ 29 bis 32 ArbVG zu finden.
Folgende Rahmenbedingungen gelten für Betriebsvereinbarungen:
Rechtsverbindlichkeit:
- Eine Betriebsvereinbarung hat die gleiche Wirkung wie Gesetze (Normwirkung) und gilt für die einzelnen Arbeitsverhältnisse des betroffenen Betriebs unmittelbar rechtsverbindlich (vgl. § 31 Abs. 1 ArbVG).
- Sondervereinbarungen sind nur dann gültig, wenn sie für die Arbeitnehmer:innen vorteilhafter sind (Günstigkeitsprinzip) oder Angelegenheiten betreffen, die in der Betriebsvereinbarung nicht geregelt sind (vgl. § 31 Abs. 3 ArbVG).
Abschluss:
- Betriebsvereinbarungen müssen zwischen den Vertragsparteien – Arbeitgeber:in bzw. Betriebsinhaber:in und Betriebsrat – immer schriftlich abgeschlossen werden (vgl. § 29 ArbVG).
- Eine Betriebsvereinbarung tritt am Tag nach der Unterzeichnung in Kraft. Ausnahme: Es wird in der Betriebsvereinbarung ein späterer Zeitpunkt ausdrücklich festgelegt (vgl. § 30 Abs. 2 ArbVG).
Aushangpflicht:
- Nach der Unterzeichnung sind Arbeitgeber:in oder Betriebsrat dazu verpflichtet, die Betriebsvereinbarung im Unternehmen aufzulegen (z.B. im Personal- oder Betriebsratsbüro) oder an einem für alle Arbeitnehmer:innen leicht zugänglichen Ort im Betrieb auszuhängen (z.B. am Schwarzen Brett). (vgl. § 30 Abs. 1 ArbVG)
Inhalte einer Betriebsvereinbarung
Neben den Rahmenbedingungen regelt das Arbeitsverfassungsgesetz, welche Angelegenheiten durch Betriebsvereinbarungen festgelegt werden können. Diese sind in §§ 96 bis 97 ArbVG aufgelistet.
Typische Inhalte einer Betriebsvereinbarung umfassen zum Beispiel:
- Verschwiegenheitserklärungen in Bezug auf Betriebsgeheimnisse
- spezifische Regelungen zu Dienst- und Pausenzeiten
- allgemeine Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer:innen
- Urlaubsanspruch und Dienstfreistellungen
Darüber hinaus besteht eine Betriebsvereinbarung grundsätzlich aus 2 Teilen:
- Der schuldrechtliche (obligatorische) Teil regelt die rechtliche Beziehung zwischen den beiden Vertragsparteien – Arbeitgeber:in und Betriebsrat.
- Der normative Teil wirkt auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten mit Normwirkung (rechtlich vergleichbar mit einem zwingenden Gesetz).
Welche Arten von Betriebsvereinbarungen gibt es?
Zustimmungspflichtige (notwendige) Betriebsvereinbarung
Eine zustimmungspflichtige (notwendige) Betriebsvereinbarung bezieht sich auf die Einführung von bestimmten Maßnahmen in einem Betrieb, die nur mit Zustimmung des Betriebsrats umgesetzt werden können (vgl. § 96 ArbVG). Diese Zustimmung hat im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zu erfolgen.
Die Maßnahmen lauten:
- Einführung einer betrieblichen Disziplinarordnung
- Einführung von Personalfragebögen, die über die üblichen persönlichen Angaben und die fachlichen Qualifikationen für die entsprechende Position der Mitarbeiter:innen hinausgehen
- Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer:innen, sofern diese die Menschenwürde berühren (z.B. Videoüberwachung oder Taschenkontrollen)
- Einführung und Regelung von Akkord- oder Stücklöhnen sowie akkordähnlichen Prämien und Entgelten, die auf statistischen Verfahren, Datenerfassungsverfahren oder ähnlichen Entgeltfindungssystemen beruhen
Ersetzbare Betriebsvereinbarung
- 96a ArbVG regelt die Rahmenbedingungen der ersetzbaren Betriebsvereinbarung. Auch hier wird die Zustimmung des Betriebsrats in Form einer Betriebsvereinbarung für die Umsetzung der folgenden Maßnahmen benötigt:
- Einführung von Systemen zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer:innen, sofern sie über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person und fachlichen Voraussetzungen hinausgehen
- Einführung von Systemen zur Beurteilung der Arbeitnehmer:innen, sofern damit Daten erhoben werden, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind
Falls es in diesen Angelegenheiten zu keiner Einigung zwischen Betriebsinhaber:in und Betriebsrat kommt, kann sich jede der Vertragsparteien an die Schlichtungsstelle wenden.
Was ist die Schlichtungsstelle?
Bei bestimmten Arten von Betriebsvereinbarungen, wie bei der ersetzbaren Betriebsvereinbarung, kann die fehlende Zustimmung durch Entscheidung der Schlichtungsstelle ersetzt werden. Die Entscheidung der Schlichtungsstelle gilt dabei als unmittelbar rechtsverbindlich (vgl. § 144 ArbVG).
Erzwingbare Betriebsvereinbarung
Eine erzwingbare Betriebsvereinbarung bezieht sich auf Angelegenheiten, die grundsätzlich auch ohne Zustimmung des Betriebsrats und ohne Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung regelbar sind.
Wenn der Betriebsrat jedoch eine andere Regelung durchsetzen möchte als der bzw. die Arbeitgeber:in, kann dieser die Schlichtungsstelle anrufen – im Falle einer Uneinigkeit zwischen den beiden Vertragsparteien.
97 Abs. 1 Z. 1 bis 6a ArbVG listet die Angelegenheiten in Zusammenhang mit erzwingbaren Betriebsvereinbarungen. Hier sind einige Beispiele:
- allgemeine Ordnungsvorschriften, die das Verhalten der Arbeitnehmer:innen im Betrieb regeln (z.B. Regelungen bzgl. des Rauchens im Unternehmen)
- Auswahl der Vorsorgekasse für Mitarbeiter:innen
- Vereinbarungen zur Arbeitszeit (Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Dauer und Lage der Arbeitspausen, Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage)
- Vorschriften über die Benützung von Betriebseinrichtungen (z.B. Garagen) und Betriebsmitteln (z.B. Dienstfahrzeuge)
Freiwillige (fakultative) Betriebsvereinbarung
Eine freiwillige (fakultative) Betriebsvereinbarung kann nur dann abgeschlossen werden, wenn sich Betriebsrat und Arbeitgeber:in über den Inhalt, den Geltungsbereich und den Zeitpunkt des Inkrafttretens einig sind.
Im Gegensatz zur erzwingbaren Betriebsvereinbarung kann keine der beiden Vertragsparteien den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung erzwingen.
Wenn keine Vereinbarung zustande kommt, können die entsprechenden Angelegenheiten
- durch eine Einzelvereinbarung mit den Arbeitnehmer:innen oder
- durch eine Weisung der Arbeitgeber:innen
geregelt werden.
In § 97 Abs. 1 Z. 7 bis 25 ArbVG sind die entsprechenden Maßnahmen der freiwilligen Betriebsvereinbarung zu finden. Hier sind einige Beispiele:
- Urlaubsverbrauch (z.B. Art und Weise der Urlaubsanmeldung)
- betriebliche Pensions- und Ruhegeldleistungen
- Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Beruf
- Kündigungsfristen und Gründe zur vorzeitigen Beendigung von Arbeitsverhältnissen
- Rahmenbedingungen für Arbeit im Homeoffice
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„Freie“ Betriebsvereinbarung
Eine „freie“ Betriebsvereinbarung beinhaltet Angelegenheiten, in denen weder durch Gesetz noch durch Kollektivvertrag der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zugelassen ist. Diese Art der Vereinbarung entfaltet nicht die besonderen Rechtswirkungen der gesetzlichen Betriebsvereinbarungen durch das ArbVG.
So gelingt die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber:in und Betriebsrat
In der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat kann es auf Seite der Arbeitgeber:innen zu Unsicherheiten kommen: Welche Informationen müssen bereitgestellt werden? Wann ist der Betriebsrat in Entscheidungen einzubeziehen? Welche Fristen gelten für Einsprüche?
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Häufig gestellte Fragen
Ist eine Betriebsvereinbarung ohne Betriebsrat möglich?
Nein. Denn Betriebsvereinbarungen sind schriftliche Vereinbarungen, die zwischen Arbeitgeber:innen und Betriebsrat eines Unternehmens abgeschlossen werden. Wenn in einem Unternehmen kein Betriebsrat gewählt wurde, kann es auch keine Betriebsvereinbarung geben.
Was ist der Unterschied zwischen einem Kollektivvertrag und einer Betriebsvereinbarung?
Eine Betriebsvereinbarung wird nur für einen konkreten Betrieb abgeschlossen und gilt somit nur für diesen. Im Gegensatz dazu regelt ein Kollektivvertrag Arbeitsbedingungen, die für alle Unternehmen einer bestimmten Branche oder Berufsgruppe gelten.
Wie können Betriebsvereinbarungen in Österreich gekündigt werden?
Betriebsvereinbarungen in Österreich können auf verschiedene Arten gekündigt werden. Grundsätzlich ist es möglich, Betriebsvereinbarungen jederzeit einvernehmlich und ohne Frist zu beenden. Dies hat schriftlich zu erfolgen.
Darüber hinaus wird zwischen diesen Fällen unterschieden:
- Befristete Betriebsvereinbarungen enden automatisch nach Ablauf der vereinbarten Frist, ohne dass eine Kündigung erforderlich ist. Es gibt keine Nachwirkung.
- Unbefristete, zustimmungspflichtige Betriebsvereinbarungen können jederzeit ohne Einhaltung einer Frist und ohne Nachwirkung von jeder Vertragspartei schriftlich gekündigt werden.
- Unbefristete, erzwingbare und unbefristete, ersetzbare Betriebsvereinbarungen können nur einvernehmlich oder durch die Schlichtungsstelle gekündigt werden. Es besteht keine Nachwirkung.
- Unbefristete, freiwillige Betriebsvereinbarungen können mit einer Frist von 3 Monaten zum Letzten eines Kalendermonats schriftlich gekündigt werden. Für zum Zeitpunkt der Kündigung bestehende Arbeitsverhältnisse gilt die Vereinbarung bis zu einer neuen Regelung weiter (Nachwirkung), für nach der Kündigung neu eintretende Mitarbeiter:innen jedoch nicht.