Die ÖNORM B 2110 bildet die Grundlage für viele Bauverträge in Österreich. Um dies rechtssicher umzusetzen, ist ein genaues Verständnis der darin enthaltenen Rechte und Pflichten wichtig.
In diesem Artikel erfahren Sie, was die ÖNORM B 2110 regelt, was Auftraggebende sowie Auftragnehmende beachten müssen und wie Sie dies am besten in der Praxis umsetzen.
Die ÖNORM B 2110 ist ein Muster für Bauverträge in Österreich.
Sie gilt nur dann, wenn beide Vertragsparteien damit einverstanden sind und sie im Bauvertrag ausdrücklich als Grundlage festgelegt wurde.
Es handelt sich dabei also um kein Gesetz, sondern um eine vertragliche Vereinbarung.
Die ÖNORM B 2110 baut auf dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) auf. Ziel ist es, die Regelungen des ABGB um spezifische Bestimmungen für die Baupraxis zu ergänzen.
So schafft die Norm klare Regelungen, die typische Streitpunkte vermeiden und für einen fairen Ausgleich zwischen Auftraggeber:innen und Auftragnehmer:innen sorgen. Die Vereinbarung der ÖNORM B 2110 im Bauvertrag bietet daher für beide Seiten Vorteile und mehr Rechtssicherheit.
Die ÖNORM B 2110 enthält die Vertragsbestimmungen für Bauleistungen sowie für Leistungen der Haustechnik.
Darüber hinaus gelten mit der Vereinbarung der ÖNORM B 2110 zugleich alle ÖNORMEN technischen Inhaltes.
Zu den Leistungen gehören:
Bauleistungen |
Leistungen der Haustechnik |
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Gut zu wissen: Auch wenn für die Errichtung von Bauwerken Planungs- und Entwurfsleistungen erforderlich sind, fallen diese nicht in den Anwendungsbereich der ÖNORM B 2110. |
Die ÖNORM B 2110 besteht aus 12 Abschnitten:
Bestimmungen über den Anwendungsbereich
Normative Dokumente
Begriffsdefinitionen
Verschiedene Ergänzungen zu anderen ÖNORMEN
Zustandekommen des Vertrages und Formvorschriften
Bauleistung und Baudurchführung
Leistungsabweichung und ihre Folgen
Rechnungslegung, Zahlung und Sicherstellungen
Benutzung von Teilen der Leistung vor der Übernahme
Übernahme
Schlussfeststellungen
Haftungsbestimmungen
Damit Sie einen ersten Überblick über die Inhalte der ÖNORM B 2110 erhalten, finden Sie in diesem Beitrag eine Erklärung der wichtigsten Abschnitte.
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Wenn ein Bauvertrag nach ÖNORM B 2110 vereinbart wird, müssen bestimmte, wichtige Vereinbarungen und Änderungen in schriftlicher Form festgehalten werden.
Dazu zählen u. a.:
Rücktritt vom Vertrag
Warnpflicht
Nachfristsetzung bei Verzug
Fertigstellungsmeldung
Die Auftragnehmenden sind verpflichtet, alle Ausführungsunterlagen, Anweisungen, Materialien und Vorleistungen auf Fehler zu prüfen.
Sollten sie Mängel erkennen bzw. Bedenken haben, dass es zu Schäden kommen könnte, müssen sie dies den Auftraggebenden unverzüglich schriftlich mitteilen.
Anschließend liegt es in der Verantwortung der Auftraggeber:innen, wie sie mit diesen Bedenken umgehen:
Die Auftraggebenden prüfen die Bedenken und sorgen für eine Nachbesserung, sodass die Bauleistungen mängelfrei durchgeführt werden können.
Sie greifen die Warnung nicht auf und bestehen auf die ursprüngliche Ausführung. In diesem Fall können die Auftragnehmenden nicht für etwaige Schäden verantwortlich gemacht werden, da sie ihrer Prüf- und Warnpflicht nachgekommen sind.
Sollten die Auftragnehmer:innen keine ordnungsgemäße Prüfung durchführen oder mögliche Mängel verschweigen, würde die Haftung für mögliche Schäden bei ihnen verbleiben.
Beide Vertragsparteien sind dafür verantwortlich, die Ereignisse auf der Baustelle schriftlich festzuhalten.
Die Dokumentation am Bau kann dabei in einem Baubuch sowie in einem Bautagesbericht erfolgen.
Dokumentation in einem Baubuch
Sobald die ÖNORM B 2110 als Vertragsgrundlage vereinbart wurde, muss die Führung eines Baubuchs nicht extra im Vertrag geregelt werden.
Das Baubuch wird von der Bauleitung oder der örtlichen Bauaufsicht geführt. Dabei hat dieses auf der Baustelle vorzuliegen. Auftragnehmende dürfen es mindestens einmal pro Woche einsehen und Einträge darin vornehmen.
Im Baubuch sind alle Anordnungen und alle für die Leistung relevanten Sachverhalte einzutragen.
Dazu gehören u. a.:
Anordnungen durch Auftraggebende
Leistungsfortschritt
Planübergaben
Angaben zur Objektüberwachung
Dokumentation in einem Bautagesbericht
Im Gegensatz zum Baubuch werden Bautagesberichte von den Auftragnehmenden geführt.
Damit Bautagesberichte die gleiche rechtliche Wirkung wie ein Baubuch entfalten, ist eine gesonderte vertragliche Vereinbarung erforderlich.
In den Bautagesberichten sind alle vertraglichen Leistungen festzuhalten.
Dies umfasst zum Beispiel:
Aufwand an Arbeitskräften und Geräten
Leistungsfortschritt
Wetterverhältnisse
Verwendete Materialien
Erbrachte Regieleistungen
Schadensvorkommnisse
Nach ÖNORM B 2110 beschreibt die Übernahme die Anerkennung und Akzeptanz der vertraglich vereinbarten Bauleistungen.
Dabei wird zwischen 2 Arten der Übernahme unterschieden:
Förmliche Übernahme
Die förmliche Übernahme wird vertraglich vereinbart und läuft üblicherweise folgendermaßen ab:
Die Auftragnehmenden teilen der Bauleitung die Fertigstellung der Arbeit mit und fordern sie zur Übernahme auf.
Die Auftraggeber:innen haben die Leistung innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Aufforderung zu übernehmen.
Alle Beanstandungen und Erklärungen sind schriftlich festzuhalten.
Wenn die Niederschrift von beiden Parteien unterschrieben ist, gilt die Übernahme als vollzogen.
Formlose Übernahme
Die formlose Übernahme erfolgt dann, wenn keine förmliche Übernahme vertraglich vereinbart wurde.
Hier gilt ein Bauwerk als übernommen, wenn
die Auftragnehmenden ausdrücklich die Fertigstellung der Arbeit erklären,
die Auftraggebenden die Verfügung über die vollendete Bauleistung übernehmen, und
die Auftraggeber:innen die Leistung als erfüllt anerkennen.
Ein Verzug nach ÖNORM B 2110 liegt vor, wenn eine vereinbarte Leistung nicht zur gehörigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erbracht wird.
Beide Vertragsparteien können in Verzug geraten und haben das Recht, vom Vertrag zurückzutreten.
Damit der Rücktritt wirksam ist, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Vorliegen und Angabe eines Rücktrittsgrundes (z. B. Zahlungsverzug der Auftraggebenden, Leistungsverzug der Auftragnehmenden etc.)
Setzen einer angemessenen Nachfrist
Schriftliche Rücktrittserklärung
Achtung! In bestimmten Situationen können die Vertragsparteien den sofortigen Rücktritt vom Vertrag erklären. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn über das Vermögen der anderen Vertragsbeteiligten das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder eine der beiden Parteien strafbare Handlungen begeht. |
Die ÖNORM B 2110 bildet oft die Grundlage für rechtssichere Bauverträge in Österreich.
Für Auftraggebende und Auftragnehmende ist es gleichermaßen wichtig, die Bestimmungen der Norm genau zu kennen und korrekt anzuwenden — von der Vertragsgestaltung über die Leistungsausführung bis hin zur Dokumentation.
Wer sicherstellen will, dass alle Regelungen eingehalten werden, benötigt nicht nur Erfahrung, sondern auch eine umfassende Orientierungshilfe, die bei der Umsetzung unterstützt.
Genau hier setzt das Praxishandbuch Bau & Recht an. Darin finden Sie:
So haben Sie alle wichtigen Informationen für Ihr Bauvorhaben stets griffbereit und profitieren von einer effizienten Umsetzung der ÖNORM B 2110. |
Eine Schlussrechnung nach ÖNORM B 2110 ist die abschließende Abrechnung der Auftragnehmenden nach der Fertigstellung eines Bauvorhabens. Sie führt die Gesamtsumme aller erbrachten Leistungen auf und zeigt, dass das Bauprojekt abgeschlossen ist.
Eine Mängelrüge nach ÖNORM B 2110 ist die Mitteilung der Auftraggebenden an die Auftragnehmenden über einen festgestellten Mangel. Damit wird auch darauf hingewiesen, dass die Rechte aus Gewährleistung geltend gemacht werden.
Die Gewährleistungsfrist nach ÖNORM B 2110 beginnt mit der Übernahme der Leistung. Falls im Vertrag oder in Fachnormen keine andere Gewährleistungsfrist festgelegt ist, beträgt diese 3 Jahre für unbewegliche Bauleistungen (z. B. Bau eines Hauses). Für bewegliche Leistungen der Haustechnik dauert die Gewährleistungsfrist 2 Jahre.