Fachkräftemangel und Imageprobleme machen die Lehre zu einer Top-Priorität der neuen Regierung. Am Ausbildertag im Februar diskutieren Experten Lösungsansätze. Im Interview teilt Robert Frasch, der fachliche Leiter und Gründer des Ausbildernetzwerks lehrlingspower.at, schon vorab seine Top-Tipps für die erfolgreiche Lehrlingssuche mit Ihnen.

Der Fachkräftemangel ist omnipräsent. Was sind die größten Herausforderungen von Betrieben bei der Lehrlingssuche?

Die beiden größten Herausforderungen sind die Qualität – vor allem in Ballungsräumen wie Wien, Linz  oder Graz – und die Quantität – vor allem in den ländlichen Regionen bzw. westlichen Bundesländern. Die Quantitätsfrage wird in den nächsten Jahren noch dramatisch, denn jetzt beginnt erst die Pensionierungsphase der Babyboomer. Allein mengenmäßig fehlen uns dann zigtausende Erwerbsfähige und die wenigen Jugendlichen werden noch dazu von den Schulen heftig umworben. Bei der Qualität gibt es eklatante Defizite nach Vollendung der Schulpflicht in sinnerfassendem Lesen, Mathematik und Hausverstand, aber auch in der praktischen Anwendbarkeit von Wissen.

Woran denken Sie liegt das?

Das liegt vor allem daran, dass sich Schichten für eine Lehre bewerben, die früher nicht einmal so weit gekommen sind. Da jetzt auch die mittlere Wissensschicht um jeden Preis  in höhere Schulen drängt, landen die schlechten Schüler in der Lehre.

Abgesehen davon haben Jugendliche heute auch andere Bedürfnisse und Wünsche als noch vor einigen Jahren. Wie können Unternehmen die neue Generation am besten erreichen?

Indem sie ihr den Sinn ihres Tuns näherbringen. Jugendliche  müssen nicht mehr für Geld arbeiten gehen – ich bezeichne sie daher gerne als die „Generation Prinz & Prinzessin“. Das ist der älteren Generation unverständlich, denn wir hatten noch gelernt: „Irgendwo musst du ja dein Geld verdienen, damit du am Wochenende und im Urlaub leben kannst.“ Jene Unternehmen, die einen Sinn und Perspektiven geben und erkennen, dass Leben und Arbeiten für Jugendliche ein untrennbares Ganzes ist, haben keine Probleme im Recruiting. Siehe Start-ups, die retten die Welt und lassen zu, dass auch mal private Themen wichtig sind. Das wird speziell für alteingesessene Industriebetriebe ein ganz schwieriges Umdenken…

Haben Sie Beispiele für Maßnahmen, die besonders gut funktionieren?

Fronius in Oberösterreich punktet mit sehr viel persönlichem Bezug zu seinen Mitarbeitern. Daher kommt der Großteil der Bewerbungen auch aus deren direktem Umfeld. Die Familie Querfeld hat im Tourismus mit ihrer Kampagne „Dürfen wir uns bei Ihnen bewerben?“ erkannt, dass sich der Bewerbermarkt gedreht hat. Die Falkensteiner Hotels punkten damit, dass sie schon im Kindergarten vorbeikommen und gemeinsam mit den Kindern kochen. Und auch damit, dass Angestellte ihre Dienstpläne mindestens drei Wochen im Voraus wissen. Dachser hört am Standort Himberg auf die Frage, warum man sich bei ihnen beworben hätte, immer wieder: „Weil eure Lehrlinge in der Früh im Bus immer so gut drauf sind.“ 

Was meinen Sie ist das Erfolgsrezept dieser Unternehmen?

Allen guten Beispielen ist meiner Meinung nach gemeinsam, dass sie sich wirklich für den Menschen interessieren. Dazu gehören ein persönlicher Ansprechpartner für die Bewerbung, Schnuppertage, bei denen man sich wirklich mit den Anwesenden beschäftigt, eine klare Kommunikation während des gesamten Prozesses und gelebte Mitarbeiterorientierung im Betrieb. Ich empfehle gern, die Hälfte des Recruiting-Budgets in die Zufriedenheit der bestehenden Mitarbeiter und Lehrlinge zu investieren – die rekrutieren dann von sich aus besser als jedes Inserat.

Oft hört man das Schlagwort „Employer Branding“. Ist das auch für kleinere Betriebe relevant und wenn ja, wie kann es bei der Lehrlingssuche unterstützen?

Employer Branding ist für alle Betriebe relevant. Allerdings ist es auch nicht die Wissenschaft, als die es von Beratern gerne verkauft wird – die ja Geld verdienen wollen. Wir werden am diesjährigen Ausbildertag einiges dazu hören, aber die Eckpfeiler sind:

  • mit den Mitarbeitern erarbeiten, warum sie im Unternehmen arbeiten,
  • den Sinn des unternehmerischen Tuns formulieren,
  • beides mit den eigenen Mitarbeitern nach außen kommunizieren,
  • dazu einladen, das Unternehmen live zu erleben.

Lehrlingsförderung

Welchen Tipp würden Sie Ausbildungsbetrieben also in puncto Lehrlingssuche geben?

  1. Zeigen Sie, was Sie tun und warum.
  2. Bedenken Sie, dass weder Jugendliche noch Eltern wissen, was Ihr Unternehmen macht!
  3. Kommunizieren Sie das, was zur jeweiligen Bewerbungsphase passt.
    • Zuerst: „Worum geht es überhaupt im Überblick?“
    • Dann: „Schau vorbei, erlebe uns, mach dir ein Bild!“
    • Zuletzt: Details wie Lehrzeit, Inhalte der Berufsschule & Co
  4. Versuchen Sie nicht, jugendlich zu sein (außer Sie sind wirklich ein Start-up). Authentisch zu sein, ist das einzige Versprechen, das Sie später halten können.
  5. Senden Sie unterschiedliche Botschaften für Jugendliche und Eltern, denn die haben ganz unterschiedliche Interessenslagen.

Robert Frasch

… ist Gründer des Ausbildernetzwerks lehrlingspower.at und Herausgeber des Handbuchs „Lehrlingsausbildung in der Praxis“. Er vernetzt Ausbilder, Betriebe und Experten auf nationaler und internationaler Ebene. Als begeisterter Redner ist er auf den Bühnen Europas die „Stimme für die duale Berufsausbildung“. Mit seinen Auftritten macht er Betrieben, Politikern, Medien und der Öffentlichkeit Lust auf Ausbildung.

www.lehrlingspower.at

 
 

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