Die digitale Welt ist vernetzter, fordert mehr Flexibilität und Kundenzentrierung. Dabei ist gute Führung wichtiger denn je – aber sie muss sich anpassen! Erfahren Sie, welchen 8 großen Herausforderungen Sie sich in Zukunft stellen müssen – und wie Unternehmen ihre Führungsstile bereits anpassen, um diese zu meistern.
Für ihr Projekt „Digital Work Design – Turning Risks into Chances“ hat ein Münchner Forscherteam rund um Tanja Schwarzmüller 58 Digitalisierungs-ExpertInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik interviewt und die 8 wichtigsten Trends formuliert, die die sogenannte “Führung 4.0” ausmachen.
Das Fazit der Befragungen: Den Unternehmen stehen stürmische Zeiten bevor, denn das globale Wettbewerbsumfeld verändert sich rasant. Wertschöpfungsprozesse in und um Organisationen befinden sich im Wandel. Vernetzung, Flexibilität und Kundenzentrierung sind die neuen Grundwerte, um die herum moderne Strukturen aufgebaut werden (Stichwort Arbeit 4.0) – und Führungsstile müssen sich entsprechend anpassen.
Die 8 Top Führungstrends
Das Forscherteam rund um Schwarzmüller formuliert in ihrer Studie 8 zentrale Bereiche, in denen sich deshalb zukünftig noch einiges bewegen wird:
#1: Veränderte Machtverhältnisse, flache Hierarchien
Die Digitalisierung führt zu komplexeren Arbeitsinhalten und stärkerer Spezialisierung. Je komplexer die Aufgaben der Mitarbeiter, desto unwahrscheinlicher ist es aber auch, dass Führungskräfte über das Detailwissen verfügen, ihre Mitarbeiter fachlich anzuleiten.
Führungskräfte müssen daher verstärkt Verantwortung und somit Macht abgeben! Ihre Aufgabe besteht zukünftig vielmehr darin, Mitarbeiter in ihrer Eigenverantwortung zu stärken und das Vertrauen in sie aufzubauen.
Konkret bedeutet das:
✓ Macht abgeben
✓ Eigenverantwortung und Autonomie der Mitarbeiter fördern
✓ Demokratie und Partizipation ausbauen
✓ Vertrauen in Mitarbeiter aufbauen
W.L. Gore: Firma ohne Führung
W.L. Gore (bekannt v.a. für seine Gore-Tex-Bekleidungsmembran) hat sich dieser Herausforderung gestellt und ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen: Unter dem Motto „no ranks, no titles“ hat sich die Firma gegen die Einführung von stehenden Hierarchien entschieden.
Offiziell gibt es bei W.L. Gore daher keine Angestellten oder Chefs – stattdessen stehen Eigenverantwortung und Kreativität im Fokus. Die insgesamt 10.000 Mitarbeiter des amerikanischen Konzerns werden als Associates, also Teilhaber, bezeichnet. Teamleitungen werden demokratisch bestimmt und abgewählt.
W.L.Gore: Vertrauen ist besser
Der amerikanische Textilproduzent W.L. Gore verzichtet auf traditionelle Hierarchien und Vorgesetzte. Teamleiter werden, wenn nötig, demokratisch aus den eigenen Reihen bestimmt – und auch wieder abgewählt. Kompetenz gilt als ausschlaggebender Faktor.
Die Verteilung von Führungsverantwortung hat laut einer aktuellen Studie einen zusätzlichen positiven Effekt: Sie erfordert nicht nur Vertrauen, sondern generiert dieses auch und stärkt im Endeffekt die Teamleistung!
#2: Beziehungen und Führung im Zentrum
Beziehungen und die Förderung beziehungsfördernden Verhaltens rücken stärker in den Mittelpunkt. Denn durch die Abgabe von Macht und die Auflösung herkömmlicher Zeit- und Raumstrukturen sind Führungskräfte gefordert, zusätzlich Vertrauen und Loyalität aufzubauen.
Das bedeutet unter anderem:
✓ Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter
✓ Förderung von Talenten
✓ Vermittlung von Wertschätzung
✓ Führung als Coaching und Enabling
✓ Stärkere Eigenvernetzung und Vernetzung der Mitarbeiter
✓ Aktives Teambuilding
✓ Förderung von Kollaboration zwischen Mitarbeitern
#3 Erhöhte Kompetenzanforderungen an Führungskräfte
Flexible Arbeitszeitmodelle und der Trend zur verstärkten Einbindung externer Mitarbeiter erfordern neue Führungskompetenzen, etwa
✓ Führung auf Distanz
✓ Zeitzonen-Management
✓ Zusätzliche IT-Kompetenzen
✓ Führung diverser Teams
✓ Zusätzliche sprachliche und interkulturelle Kompetenzen
✓ Umgang mit Unsicherheit und Komplexität
✓ Hohe Risikotoleranz und -akzeptanz
Beispiel Bosch-Hackathons
Die Firma Bosch veranstaltet regelmäßig „Hackathons“ mit externen Computerspezialisten. Dabei wird ein Expertenteam für ein Wochenende eingeladen, Lösungen für ausgewählte Themen zu erarbeiten. Es geht jedoch nicht nur um das Finden von IT-Lösungen, sondern auch um die Entwicklung innovativer Prozesse und Produkte.
#4 Ergebnisorientierte Leistungsbewertung oder: Performance Management
Auch die Art und Weise, wie Mitarbeiter durch Führungskräfte bewertet werden, wird sich verändern. So werden digitale Tools vermehrt dazu eingesetzt, um Arbeitsleistungen auch etwa im Home Office zu erfassen.
Bei der Leistungsbewertung werden Ergebnisse stärker in den Mittelpunkt rücken, während klassische Kriterien wie Engagement oder organisatorisches Hilfeverhalten in den Hintergrund rücken.
#5 Verstärktes Gesundheitsmanagement im Betrieb
Flexibilität in der Arbeit, die vermehrte Vermischung von Privatem und Beruflichem und die Digitalisierung haben auch belastende Folgeerscheinungen. Um die Arbeitsleistung und die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu erhalten, ist ein effizientes Gesundheits- und Wellbeing-Management besonders wichtig.
Dazu zählen etwa:
✓ Ermöglichung zeitlich und örtlich flexibler Arbeitszeitmodelle
✓ Klare Kommunikation der eigenen Erwartungen hinsichtlich der Erreichbarkeit von Mitarbeitern
✓ Achten auf Work-Life-Balance und Ausgeglichenheit der Mitarbeiter
Das Modell der lebensphasenorientierten Personalpolitik rückt die die Lebens- und Berufssituation und individuelle Bedürfnisse von Angestellten stark in den Fokus. Die Robert Bosch GmbH wurde 2016 für ihr Konzept zum lebensphasenorienterten Arbeiten ausgezeichnet. Sie haben über 100 Maßnahmen für eine individualisierte Personalpolitik entwickelt.
#6 Zunehmende Technologisierung
Um mit externen Mitarbeitern zu interagieren, müssen Führungskräfte versiert im Umgang mit neuen Medien sein. Technische Tools gewinnen weiter an Bedeutung (Assistenzsysteme, Kollaborationstools – mehr dazu in unserem Beitrag über die 10 häufigsten Zeitfresser). Führungsaufgaben, wie etwa Personalentwicklung und -beurteilung werden weiter technologisiert und bis zu einem gewissen Grad automatisiert.
#7 Zunehmender Druck
Höhere Anpassungsfähigkeit, Beschleunigung des Arbeitslebens, vermehrte Erreichbarkeit – nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber sind bereits jetzt wachsendem Stress ausgesetzt.
Hohe Belastbarkeit ist daher eine Grundvoraussetzung zukünftiger Führungskräfte!
#8 Weiterbildung von Mitarbeitern rückt in den Fokus
Prozesse verändern sich laufend, verlangen z.B. mehr IT-Kompetenzen und somit auch die Bereitschaft zur Weiterbildung.
Führungskräfte sind zukünftig verstärkt dazu angehalten, die individuellen Kompetenzen ihrer Mitarbeiter durch gezielte Fortbildungen zu stärken!
Resümé
Führung 4.0 ist schon lange keine Zukunftsmusik mehr – wir stecken bereits mitten drinnen. Umso wichtiger ist es für Führungskräfte, zu wissen, woraus diese neuen Anforderungen resultieren und wie sie möglichst geschickt damit umgehen können.
Unser Tipp: Lassen Sie sich bei der Lösungsfindung am besten von unkonventionellen Best Practice-Beispielen aus der Praxis inspirieren!
Bartscher Thomas: „Digitalisierung und Arbeit 4.0“. In: Gabler Wirtschaftslexikon Abgerufen von https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/digitalisierung-und-arbeit-40-54273 am 03.07.2018
Drescher, M. A., Korsgaard, M. A., Welpe, I. M., Picot, A., & Wigand, R. T. (2014, April 14).The Dynamics of Shared Leadership: Building Trust and Enhancing Performance. Journal ofApplied Psychology. Abgerufen von https://www.researchgate.net/publication/261732696_The_Dynamics_of_Shared_Leadership_Building_Trust_and_Enhancing_Performance am 03.07.2018
Schwarzmüller, Tanja & Brosi, Prisca & Welpe, Isabell. (2017). Führung 4.0 – Wie die Digitalisierung Führung verändert. Abgerufen von https://www.researchgate.net/publication/303984407_Fuhrung_40_-_Wie_die_Digitalisierung_Fuhrung_verandert am 03.07.2018.
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