ÖNORM B 2110 Bauvertrag

Die ÖNORM B 2110 ist im Baugeschäft nicht mehr wegzudenken. Sie ist ein bewährtes und mächtiges Instrument, weil sie den Ausgleich zwischen den Interessen des Auftraggebers und des Auftragnehmers herstellt und den Anforderungen der Baubranche entgegenkommt. Doch trotzdem kommt es immer wieder zu Streitigkeiten. Vor allem bei der Schlussrechnung kann es zu teuren Rechtsfolgen kommen.

Obwohl ÖNORMEN, soweit sie nicht durch konkrete Rechtsvorschriften für verbindlich erklärt wurden, von den Vertragspartnern freiwillig vereinbart werden können oder nicht, ist die ÖNORM B 2110 im Baugeschäft zu einem mächtigen, nicht mehr wegzudenkenden Instrument geworden. Denn den meisten Bauwerkverträgen, ob Verträge zwischen Bauherren und Professionisten oder zwischen Generalunternehmern und ihren Subunternehmern, liegt die Werkvertragsnorm B 2110 zu Grunde. Sie hat sich bewährt, weil sie einen Ausgleich zwischen den Interessen des Auftraggebers und des Auftragnehmers herstellt und den speziellen Anforderungen und Bedürfnissen bei der Abwicklung von Bauvorhaben entgegenkommt.

Deutliche Abweichungen zum ABGB

Allerdings weicht die Bauvertrags-ÖNORM in vielen Fällen deutlich vom sonst üblichen ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) ab. Deshalb tauchen immer wieder Fragen rund um die Auslegung der Vorschriften, allfällige Stolperfallen und haftungsrechtliche Auswirkungen auf.

Jeder Auftragnehmer sollte daher die einschlägigen Bestimmungen „seiner“ ÖNORM kennen und vorsorgen, um nicht während oder nach der Abwicklung eines Bauvorhabens ein böses Erwachen zu erleben.

Verkürzte Verjährungsfristen möglich

Eine starke Abweichung der ÖNORM B 2110 vom allgemeinen Zivil- und Vertragsrecht gibt es bei den Verjährungsfristen der Schlussrechnung, die der Auftragnehmer an den Auftraggeber stellt.

Nach dem ABGB verjähren Werkvertragsforderungen binnen drei Jahren ab deren Fälligkeit.

Ist die ÖNORM B 2110 als Vertragsgrundlage vereinbart, kann nach der sogenannten Vorbehaltsregelung (Punkt 8.4.2 der ÖNORM B 2110) unter bestimmten Umständen die gesetzliche Verjährungsfrist auf nur drei Monate verkürzt werden!

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Quelle häufiger Rechtsstreitigkeiten

Die Verkürzung der Verjährungsfrist auf nur drei Monate hat entsprechende wirtschaftliche Konsequenzen. Und die können ins Geld gehen. Oft ziehen sie teure Rechtstreitigkeiten und gerichtlichen Verfahren nach sich. Am Ende verdienen die Anwälte.

Dass die Verjährungsfrist für Ansprüche des Auftragnehmers in der ÖNORM B 2110 so kurz ist, hat einen Grund, den selbst der Oberste Gerichtshof in seiner Rechtsprechung erläutert hat. Es geht darum, den Auftraggeber zu einem möglichst frühen Zeitpunkt über das Ausmaß seiner gesamten Verpflichtungen zu informieren. Ziel ist es, die Rechtslage bei Bauvorhaben mit hoher Auftragssumme innerhalb kürzester Zeit zu klären.

Vorbehaltsregelung der ÖNORM B 2110

Der juristische Begriff der „Vorbehaltsregelung“ umfasst zwei verschiedene Anlassfälle. Bei deren Vorliegen kann der Auftragnehmer einen Schlussrechnungsvorbehalt erheben, wenn er seiner berechtigten Ansprüche nicht verlustig gehen will.

Achtung: Die beiden Anlassfälle unterscheiden sich nicht nur inhaltlich, sondern auch, was die daraus folgenden Konsequenzen betrifft. Denn es sind unterschiedliche Zeitpunkte zu beachten, zu denen ein Vorbehalt vom Auftragnehmer erhoben werden muss!

Fall 1: AN nimmt nicht alle Ansprüche in die Schlussrechnung auf

Ein Auftragnehmer nimmt – bewusst oder unbewusst – nicht alle ihm zustehende Ansprüche in die Schlussrechnung auf. Am Ende will er von seinem Auftraggeber also mehr Geld, als er in der Schlussrechnung verrechnet hat. Das kann der Fall sein, wenn Arbeiten noch nicht fertiggestellt wurden.

In diesem Fall muss der Auftragnehmer bereits in der Schlussrechnung einen begründeten Vorbehalt hinsichtlich dieser Ansprüche erheben. Er muss klar kommunizieren, dass er nachträglich noch Ansprüche geltend machen wird, frei nach dem Motto: „Achtung! Da kommt noch was!“ Macht er nicht in der Schlussrechnung klar, dass noch Ansprüche offen sind, verwirken die Ansprüche: Der Auftragnehmer hat keine Möglichkeit mehr, diese Mehrforderungen geltend zu machen, der Auftraggeber kann sie abweisen.

Fall 2: AG nimmt Abzüge von der Schlussrechnung vor

Ein Auftraggeber nimmt im Rahmen der Schlussrechnungskorrektur Abzüge von der Schlussrechnung des Auftragnehmers vor und überweist eine Schlusszahlung, die vom AN-Schlussrechnungsbetrag abweicht – ein quasi alltäglicher Vorgang. Jetzt hat der Auftragnehmer drei Monate ab Erhalt der Schlusszahlung Zeit, einen Schlussrechnungsvorbehalt gegen die Abzüge zu erheben. Dieser muss schriftlich erfolgen. Außerdem müssen all jene Positionen behandelt werden, die der Auftraggeber mit einem Abzug belegt hat, der Auftragnehmer aber nicht akzeptieren will. Versäumt er diese Frist, gilt die Schlusszahlung einschließlich Abzügen als angenommen.

Sicherheitshalber Vorbehalt erheben!

Wenn es zu Differenzen bei der Schlussrechnungsprüfung und -korrektur zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer kommt, empfiehlt es sich für den Auftragnehmer, jedenfalls einen Vorbehalt zu erheben. Sicher ist sicher.

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