Profiling im Recruiting
Jedes Unternehmen weiß, wie wichtig es ist, im Bewerbungsgespräch den richtigen Kandidaten auszuwählen – denn Fehlentscheidungen kosten eine Menge Zeit, Geld und Nerven. Doch wie unterscheiden Sie Blender von vielversprechenden Bewerbern? Profilerin und Buchautorin Patricia Staniek gibt einen Einblick in ihren Workshop für Personaler und zeigt, wie Sie Beobachtung und Wahrnehmung im Recruiting schärfen!

Patricia Staniek ist Profilerin nach FBI-Methoden und arbeitet als Verhaltensexpertin, Coach und Trainerin für Polizei und Justiz. Daneben gibt sie ihr Wissen über Signale der Mimik, Körpersprache und Stimme an Führungskräfte und Personalmanager weiter. In diesem Blogbeitrag erzählt sie, wie sie ihre Fähigkeiten im Bewerbungsgespräch genutzt hat, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen und geeignete Kandidaten aufzuspüren.

Was ist Profiling?

Profiling PScn (Verhaltensanalyse und Persönlichkeits-Scanning) ist eine wissenschaftlich fundierte und dennoch leicht anwendbare und rasch umsetzbare Methode. Die Methode basiert auf Perception, Emotional Mimics und einem weitgefächerten Feld von Beobachtungskriterien, welche HR-Experten neue Möglichkeiten im Bewerbungsgespräch bieten.

Mehr und mehr wird die Methode im Personalbereich erfolgreich eingesetzt, um geeignete Mitarbeiter zu finden und bereits vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags deren Stärken und Schwächen kennenzulernen. Dafür werden unter anderem werden Mimik, Gestik, Körpersprache und Stimme in die Analyse einbezogen.

Profiling im Bewerbungsgespräch – ein Erfahrungsbericht von Patricia Staniek

Rita W. steht von Anfang an im Bewerbungsgespräch unter Stress. Das ist nicht ungewöhnlich.  Diese Stelle zu bekommen, ist ihr wichtig. Sie ist Alleinerzieherin und benötigt das Geld dringend. Außerdem handelt es sich um eine Aufgabe, die ihr auch noch Freude machen würde.

Der Recruiter führt das Interview, Patricia Staniek ist als Beraterin dabei und nimmt Stressanzeichen bei Rita wahr. Rita greift sich mal an den Hals, spielt mit dem Haar, zupft immer wieder an der Ecke ihrer Jacke. Für die Profilerin und den erfahrenen Recruiter ist das noch kein Warnsignal, denn Stressanzeichen sind für gewissenhafte und motivierte Bewerber normal. Ein bestimmtes Maß an Anspannung gehört dazu. Es wäre eher ungewöhnlich, wenn keine Stressanzeichen sichtbar wären.

Anzeichen für Stress erkennen

Allerdings hat Rita ein Geheimnis. Sie fürchtet sich vor einer bestimmten Passage im Lebenslauf. Der Recruiter bewegt sich langsam mit seinen Fragen in diese Richtung. Die Profilerin registriert ein Ansteigen der Stressanzeichen und sieht plötzlich ganz kurz Augenweiß oberhalb der Pupille. Sie erkennt es als Anzeichen für Angst: Scheinbar hat Rita Angst vor der nächsten Frage. Bei einer Analyse ist es wichtig, das Verhalten des Menschen im Gesamten wahrzunehmen und sich nicht von Einzelzeichen täuschen oder irritieren zu lassen. Auf die Frage, warum Rita das letzte Unternehmen verlassen hat, folgt eine spannende Reaktion: Sie verbirgt die Daumen unter den Handflächen und ihre unter dem Tisch sichtbaren Füße kippen an den Kanten nach außen. Es zieht ihr im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen weg. Die Profilerin erkennt nun eine Reihe bzw. Serie von diversen Hinweisen auf Stress, der sich gerade noch steigert, und hat ein Verdachtsmoment. Und schon gibt die Bewerberin eine ausweichende und scheinbar konstruierte Antwort – sagt also die Unwahrheit.

Welche Signale hat die Profilerin wahrgenommen?

Der von Beginn an höhere Stresspegel stieg erkennbar an:

  • Unterschiedliche Selbstberührungen wie Zupfen an der Jackenecke, Griffe an den Hals, welche sich bei nahender „Gefahren“Frage noch steigerten
  • Spielen der Finger und kleine unruhige Bewegungen der Beine 
  • Flache Atmung und brüchigere Stimme 
  • Beine kippten nach außen

Lücke im Lebenslauf? Bedeutung für die Personalentscheidung

Die Profilerin hebt ihre Augenbraue, fokussiert Rita und fragt mit Nachdruck nach: „Wie war das ganz genau, erklären Sie mir das bitte ganz konkret?“ Somit gibt sie Rita die Möglichkeit zu einer Aussagenkorrektur. Rita erzählt nun, was genau passiert ist, und der Recruiter und die Profilerin sehen, dass sie die selbst verursachte Kündigung in der Vorfirma wirklich bedauert – und geben ihr eine neue Chance.

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